Dienstag, 21. Dezember 2010

Armut


Allein schon dieses Wort, Armut – mit läuft da ein kalter Schauer über den Rücken, ganz unwillkürlich. Und das nicht nur, weil in drei Tagen Weihnachten ist und wir deswegen alle gerade fröhlich, freigiebig und sozial engagiert sind.  Im Dezember wird dreimal so viel gespendet wie im Jahresdurchschnitt  und es scheint immer mehr zu einem Trend zu werden, soziale Hilfsprojekte als Geschenke zu vermarkten. Toll.


  

Um diese entzückenende Doppelmoral soll es aber nur zum Teil gehen. Es geht eher um das, was gerne übersehen wird, vor allem im Advent – Armut in Deutschland.

Armut an sich ist erstmal (soziologisch) definiert als Einkommen unter 60% des Medianeinkommens eines Landes.

Natürlich ist ein armer Mensch in Deutschland in einer vollkommen anderen Situation als jemand in Simbabwe. In Deutschland ist durch die Grundsicherung niemand gezwungen im Freien zu übernachten, es ist für Ernährung gesorgt, in bestimmten Maße sogar für Kultur – davon können Arme in vielen anderen Ländern der Welt nur träumen. Für viele Gesprächspartner ist an dieser Stelle die Diskussion schon vorbei. „Hab dich nicht so, anderen Menschen auf der Welt geht es noch viel, viel schlechter als dir!“ Ja. Nein. Jein.

Man muss hier zwischen relativer und absoluter Armut unterscheiden. Absolute Armut wäre überall auf der Welt gleich, also nix zu Essen, kein Dach über dem Kopf, keine gesellschaftliche Teilhabe.

Es gibt aber einen interessanten Effekt in der (Armuts-)Soziologie – in durchschnittlich ärmeren Ländern ist die Zufriedenheit der Menschen mit der eigenen Situation deutlich höher als in insgesamt reicheren – Wenn es mehr Menschen arm sind, ist dies normaler, als in einem Land, wo es den Armen zwar absolut gesehen besser geht – es aber weniger Menschen insgesamt „schlecht“ geht.

Das führt dann zum Begriff der relativen Armut – wie „schlecht“ geht es dem armen Menschen im Vergleich zur restlichen Bevölkerung? Hier kommt das Medianeinkommen ins Spiel, denn wer weniger als 60% des örtlichen Medianlohns bekommt, gilt in der EU als arm.

In Deutschland liegt diese Armutsgrenze zwischen 605 € (Ost) und 730€ (West) im Monat  für eine alleinstehende Person. Für Familien (2 Erwachsene, 1 Kind)so grob bei  1450€. Ist das viel, ist das wenig? Im Vergleich zu einem absolut armen Menschen sicherlich sehr viel, im Vergleich zum Durchschnittsverdienst in Deutschland und den Lebenshaltungskosten wenig. Kurz gesagt – man kann damit leben. Die meisten Studenten liegen unter dieser Grenze, Hartz  IV Empfänger mit Wohngeld streng genommen sogar ein bisschen darüber (Oder darunter, kommt aufs Bundesland an – dass zeigt allein schon die Unsinnigkeit dieser Regelung) – Trotzdem würde niemand bestreiten, dass es Ihnen besser geht als einer armen Person in Indien. Schlecht ist nicht gleich schlecht, und arm nicht gleich arm.


Wie lebt es sich nun in Deutschland mit dem Stempel „ARM“? Kommt darauf an, was man daraus selber macht. Ob man sich die Klischee-1,99-Tiefkühlpizza kauft oder selber kocht. Ob man Raucht oder sich anstelle dessen lieber die 10. Handtasche kauft. Man könnte natürlich auch ins Theater gehen (Deckt z.B. der Hartz IV Regelsatz mit ab [Freizeit, Unterhaltung, Kultur - 38,71 €]). Aber wer will sich dort schon in unpassender Kleidung zeigen? Man braucht also zumindest ein gutes Selbstbewusstsein im Umgang mit der eigenen Situation, der Rest ist eigene Entscheidung.

 Ein ewig wiederkehrender Quell  von Freude und Solidarität sind die Spiegel-Online-Foren. Denn dort ist man meist ganz und gar nicht der Meinung, dass jeder mit dem eigenen Geld (auch wenn es vom Staat oder von den Eltern kommt!) verfahren kann, wie man es selber für richtig hält. Die Meinungen sind meist populistisch, die Argumentationen brüchig, und eigentlich sollten alle Geisteswissenschaftsstudenten, Arbeitslose und „Linke Freidenkeridioten und Zeckenpack“ sofort und ohne Umschweife erschossen werden. Mmh-Mmh.
Also, wenn ihr auch im Januar noch Gutes tun wollt, dann lasst euch nicht erst von RTL dran erinnern. Und denkt dran – jeder kann tun, was immer er will, solange er niemandem Schaden zufügt.

Haben wir wieder was gelernt:

-          Studenten haben es nicht unbedingt besser als Arbeitslose – auch wenn das bloß ein vorübergehender Zustand ist – ist es das bei Arbeitslosen nicht eigentlich auch?
-          Die Armutsgrenze wird es immer geben, weil sie ein relatives Instrument ist – man sollte nur dafür sorgen, dass nicht allzu viele Bürger darunterfallen
-          Mindestlöhne sind toll. Basta.
-          Drei Tage vor Weihnachten macht so eine Vorlesung leider weniger Studenten betroffen, als ich angenommen hätte
-          Auch ich esse Tiefkühlpizza. Wenn auch nur sehr selten.  Außerdem schmeckt selbstgemacht echt ziemlich gut.


 Kisses, xx






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