Spoilerwarnung. Ich werde zwar nichts über die Story verraten, aber wenn ihr das Spiel selbst noch spielen wollt, dann solltet ihr den Artikel mit Vorsicht lesen.
Wer sich jetzt fragt, warum ich das schon schreiben kann - ja, ich habe das Spiel schon durchgespielt. Die Hauptstory dauert nur etwa 10 bis 12 Stunden, dann ist man durch (Und wir haben schon ziemlich gebummelt). Das ist natürlich für ein Vollpreisspiel ziemlich enttäuschend, aber scheint mittlerweile eher die Norm zu sein als eine Ausnahme.
Was man anerkennen muss: Tomb Raider sieht wunderschön aus. Die Umgebungen in der Natur sind lebendig, farbenprächtig und es macht einfach Spaß, sie zu erkunden. In Innenräumen ist dann aber teilweise so dunkel, dass man kaum erkennt, was man machen soll und im Sekundentakt den "Überlebensinstinkt" aktivieren muss, der das Bild schwarzweiß färbt und alle Interaktionsgegenstände aufblinken lässt. So kann man sich dann zumindest ein bisschen orientieren.
Lara selbst ist wahnsinnig gut animiert. Jede Bewegung sitzt und sieht fantastisch aus. Das Spiel ist Eye-Candy pur. Das muss man so stehen lassen und es während des Spiels geniessen.
Die deutsche Synchro ist von extrem guter Qualität. Vor allem Laras Sprecherin, Nora Tschirner (!) haucht ihr viel Leben ein und spricht genauso, wie man sich eine verängstigte 18-Jährige in so einer Situation vorstellt. Auch alle anderen SprecherInnen machen einen guten Job. Weiterer, dicker Pluspunkt.
Von der optischen Seite her also anscheinend ein echter Knüller? Warum denn dann jetzt diese Unsicherheit und diese verhaltene Freude nur meinerseits?
Im Vorfeld der Veröffentlichung hat sich Tomb Raider schon einiges an Kritik eingefangen. In den Trailern konnte man die extreme Gewalt schon erahnen, und nachdem das Spiel nur ab 18 Jahren erschient, ist keinesfalls übertrieben. Die Gewalt, die Lara angetan wird, die sie aber auch allen anderen Beteiligten im Laufe der Story antut, ist in meinen Augen extrem übertrieben. Und mit extrem übertrieben meine ich: Sie musste nicht sein und sie macht überhaupt keinen Sinn.
Ja, ja, es ist ein ACTION-Adventure, da muss man mit Kämpfen rechnen. Okay, geschenkt. Aber gegen Ende läuft Lara mit einem Granatwerfer und einer MG anderthalb Stunden lang durch ein altes Kloster und schiesst auf alles, was sich bewegt. Im gesamten Spielverlauf springen alle 20 Minuten hinter irgendeinen Stein Gegnerhorden hervor, die begleitet von aufgeregt fiedelnder Streichermusik, erstmal niedergemäht werden müssen. Für mich ist das ein besonders großer Kritikpunkt. Erstens HASSE ich Shooter. Und zweitens macht dieses Gegnerschlachten keinen Sinn.
Es sollte ja besonders großen Wert auf Laras ersten Mord gelegt werden, den man auch in einem Trailer zu sehen bekam. Sie wurde dabei von einem Söldner sexuell angegriffen und hat ihn dann im Verlauf dieser Ereignisse in Notwehr umgebracht. Dafür haben die Entwickler viel Kritik geerntet. Was mich stört ist vor allem Folgendes:
Game Designer Darrell Gallagher dementierte später die Andeutungen auf versuchte Vergewaltigung und sagte, dass die Momente im Spiel, die Laras Charakter definieren, fälschlicherweise so bezeichnet wurden. Lara werde in der Situation dazu gezwungen zum ersten Mal einen Menschen zu töten. In dieser Szene passiere nicht mehr, als bereits gezeigt wurde. Sexuelle Nötigung jeglicher Art sei definitiv nicht das Thema des Spiels.Das stimmt nicht. Die Szene zeigt ganz klar eine versuchte Vergewaltigung. Das ist aber nichtmal der Punkt: Ja, es mag für Lara sichtlich schockierend gewesen sein, diesen einen Mann zu töten. Aber bei den danach folgenden 400 Männern zeigt sie nie wieder auch nur einen Moment davon. Kein bisschen. Als hätten die Entwickler den Punkt, dass Lara eine Studentin ist und keine blutrünstige Amazone, danach komplett vergessen. Mit Pfeil und Bogen, Pistole, Schrotflinte, MG, Granatwerfer und Kletteraxt metzelt sie im Spielverlauf alles und jeden ab. Sowohl die ständigen Gegnerwellen, als auch Wachsoldaten, die sich bei einem Schachspiel in der Wildnis darüber unterhalten, wie gerne sie wieder nach Hause wollen.
Neben dieser Gewalt ist es auch absolut maßlos, was Lara angetan wird. Spätestens nach den ersten zwei Spielstunden hätte sie schon zweimal tot sein müssen. Und es wird mit jeder Cutscene schlimmer. Am Ende hat sie (nach unserer Zählung) ein schweres Nierentrauma, alle Gliedmaßen und einige Rippen gebrochen, eine offene Wunde am Bauch und am Arm (mit der sie durch so einige Tümpel und die Kanalisation watet), wurde mehrmals über Kopf aufgehangen, ist zwei Wasserfälle runtergespungen, hat sich einen brennenden Pfeil in ihre Fleischwunde gehalten und hat 4 Tage lang weder geschlafen, noch etwas gegessen. Und auf dem Klo war sie auch nicht.
Von den Game Over-Animationen mal noch ganz zu schweigen. Wenn man das cool und lustig und megageil findet, wie Lara aufgespießt oder erschossen wird, ist man ein schlechter Mensch. Und ja, das wird in aller Deutlichkeit äußerst graphisch gezeigt.
Eine der Fragen, die ich mir gestellt habe war, ob ein männlicher Held auch ALLE diese Traumata hätte durchmachen müssen, um zu rechtfertigen, warum er so ein großer Held geworden ist. Ziel des Spiels ist es ja, uns zu zeigen, wie Lara Croft zu der Bad Ass-Archäologin wurde, die wir kennen und lieben. Meiner Ansicht nach ist sie nach den Erlebnissen auf der Insel ein traumatisierter Sozialfall.
Achja, und die Story ergibt überhaupt gar keinen Sinn. Aber das zu analysieren wäre jetzt zu spoilerbehaftet.
Aber hey, es ist wenigstens ein ziemlich gutes Assasins Creed!