Montag, 10. Januar 2011

Zensus 2011



Ich bin tatsächlich fasziniert davon, dass es offenbar sehr viele Leute gibt, die nicht wissen, dass gerade eine Volkszählung stattfindet. Der Zensus 2011 ist die erste größere Befragung des deutschen Volkes seit 1987 (Bzw. 1981 in den alten Bundesländern). Dieses Jahr wird nun ein EU-Gesetz umgesetzt, denn Deutschland hatte sich schon 2001 nicht am Zensus beteiligt. In meiner Brust schlagen dazu zwei Herzen.


Ach ja: Ich benutze „Zensus“ und „Volkszählung“ als Synonyme. Volkszählung betrifft eigentlich nur Vollerhebungen, und es muss ja „nur“ ein Drittel der Bevölkerung Auskunft geben. Aber da alle Melderegister „abgegrast“ werden und nur ein Drittel davon überprüft, ist das für mich eine Volkszählung. Punkt.

Meine soziologische Sichtweise

Als angehende Statistiksklavin aka Soziologin (und sei es nur im ersten Semester) bin ich natürlich von den Möglichkeiten einer Volkszählung mehr als begeistert. Unsere momentanen Daten sind komplett geschätzt, seien es nun die Anzahl der Personen pro Alterskohorte (sprich – wie vielen Leuten müssen wir demnächst Renten auszahlen?), die Anzahl der Erwerbslosen (was etwas anderes ist als die Arbeitslosenzahl, die wird nämlich nur aus den beim Arbeitsamt gemeldeten ArbeitsSUCHENDEN berechnet und schließt z.B. Hausfrauen oder Frührentner nicht mit ein) oder die Verteilung von Immigranten (woher sie kommen, wie sie leben, und so weiter).

Mit den Schätzwerten derzeit kann man kaum vorausplanen. Gut, das System für diese Volkszählung basiert auch auf Schätzung und Wahrscheinlichkeitsverteilung, aber es führt zu sehr präzisen Endwerten (zumindest gehe ich einfach mal davon aus, dass das zuständige Institut in Trier nur die feinsten Mittel zur Stichprobenauswahl nimmt: Eine nette, neu entwickelte Mischung aus Zufalls- und Quotenstichprobe, soweit ich weiß (was mich als Groupie dergeschichtetenn Zufallsauswahl sehr freut - die rockt nämlich alles weg), aus denen sich dann mit geringer Fehlerquote Daten ermitteln lassen (wie man das macht erspare ich euch. Aber es funktioniert.)

Kurz gesagt: Bei ganz vielen Daten wird die Soziologin in mir ganz wuschig und feucht im Höschen.




Meine persönliche Sichtweise

Natürlich sind die Vorteile, die ich oben genannt habe, in erster Linie nur nützlich für die Forscher. Statistiker und Politiker. Zumindest oberflächlich, denn am Ende werden auch die Bürger von mehr Daten und besserer Planbarkeit profitieren. Was mir allerdings Sorgen bereitet, ist der Datenschutz, und das ist das größte Manko an diesem Zensus: Selbst ich, die ich mich halbwegs mit der Materie auskenne, hatte echte Probleme herauszufinden, wie das gehandhabt wird. Zumindest von offizieller Seite sieht es so aus:

Der Zensus 2011 ist registergestützt, sprich die meisten Daten kommen aus Melderegistern oder von Ämtern, wie z.B. der Agentur für Arbeit. Um diese zu verifizieren und zu überprüfen, werden stichprobenartig auch Wohnungseigentümer befragt. Dabei werden dann auch noch andere Dinge abgefragt, wie der Bildungsweg, die Familienherkunft und das Arbeitsverhältnis.

Allerdings vertraue ich persönlich den tollen „neuartigen Verschlüsselungswegen“ der Zensusbehörde nicht wirklich, für mich erschließt sich auch nach anderthalb Stunden Suche nicht so wirklich, wie der Name des Befragten von seinen Angaben getrennt wird. Denn erst, wenn man nicht nachvollziehen könnte, wer diesen Fragebogen beantwortet hat, ist die Befragung anonym.

Hier das Argument der Zensusseite:

„Verletzt der Zensus mein Recht auf informelle Selbstbestimmung?“



Nein. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung wurde vom Bundesverfassungsgericht im Volkszählungsurteil vom 15. Dezember 1983 anerkannt. Es besagt, dass grundsätzlich jeder Einzelne das im Grundgesetz festgeschriebene Recht hat, „selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten zu bestimmen“. Dieses „Recht auf informationelle Selbstbestimmung“ kann nur dann eingeschränkt werden, „wenn ein überwiegendes Allgemeininteresse vorliegt“. Der Gesetzgeber hat dieses Allgemeininteresse für den Zensus 2011 mit dem Zensusgesetz 2011 bestätigt. Denn die Daten zur Bevölkerung und deren Wohn- und Arbeitssituation sind Grundlage einer Vielzahl wichtiger Entscheidungen in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft.


Aha. Es verletzt meine Rechte nicht, weil der Staat sagt, dass es erlaubt ist, sie zu verletzten. Yay.




Da liegt mein Problem: Mangelnder Schutz der Befragten, keine Nachvollziehbarkeit, was mit den Daten geschieht (Die „unabhängige“ Organisation, die den Missbrauch der Daten überwacht ist ein Bundesbeamter.) und zu wenig Informationen.

Man darf die Auskunft übrigens nicht verweigern. Kostet 5000 Euro. Und meine soziologische Hirnhälfte sagt: Nicht schummeln!

Aber auch nur die.


Haben wir wieder was gelernt:

  • Der Datenschutzbeauftragte des Bundes war mir schon immer suspekt, auch wenn ich den Herren Schaar eigentlich mag
  • Die NPD in Sachsen hält ihre Mitglieder dazu an, sich als Interviewer für den Zensus zu bewerben. Zitat der Internetseite: „Der besondere Reiz solcher Haushaltsbefragungen liegt darin, dass man auch Eindrücke von den persönlichen Lebensverhältnissen des einen oder anderen 'Antifaschisten' bekommen kann.“
  • Man kann den Spaß auch im Internet oder postalisch machen. Datenschutz!
  • Ich kann mich einfach nicht entscheiden, ob ich es nun gut oder schlecht finden soll. Wirklich nicht.
  • Ich finde diesen Beitrag so informativ, dass er ohne Tittenbilder auskommt! 

Kisses, xx



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